Kirchenmusik

Oma, zu dir oder zum Schwimmbad?

Seitdem ich keine feste Organistenstelle mehr habe werde ich manchmal gefragt in Coevorden “Gereformeerde Kerk” einen Gottesdienst zu übernehmen.
Mein Kollege, der Organist Jan Kamphuis stimmt dann immer alle(!) Zungenregister und hinterlässt eine “Orde van Dienst” mit allen Details auf dem Notenpult! Jeder Gottesdienst ist gut vorbereitet, es gibt sogar ein Glas Wasser, nicht nur für “de dominee”! Der Küster regelt das alles wunderbar: Luxus pur. . .


Der Pfefferminz von KING fehlt auch nicht; 3 Stück werden mir immer vor Predigtanfang, liebevoll angereicht von einem Ehepaar. Alles sehr nostalgisch!DieGemeinde ist sonntäglich gut vertreten und sie singt wunderbar und ist flexibel.
Es macht regelrecht Spaß dort zu begleiten.

Das hat viel mit dem eigenem Organisten Jan Kamphuis zu tun, der schon seit Jahren gut begleitet. Auch der Kontakt mit den Pastoren ist vorbildlich: der Gottesdienst wird “in goed overleg” zusammengestellt.

Wie bei vielen “gereformeerde Kerken” fehlen die Glocken; vor dem Gottesdienst ist es ziemlich laut [Hühnerstall] und es macht wirklich kein Spaß dann ein Stück zu spielen: Man kommt sich überflüssig vor. Wenn man trotzdem spielt werden die Kirchgänger noch lauter und ich lasse es dann lieber sein.
Jan Kamphuis hatte mich schon vorgewarnt, daß es nicht sinnvoll ist vorher zu spielen, sondern besser um 9:55 mit einem Vorspiel, das erste Lied einzuleiten, was auf dem Schirm angekündigt wird. “Erst dann werden die wohl leiser”: versicherte er mir.
Nach der Kollekte und dem Segen genau so; Kirchgänger sind laut und werden leider gestört vom Orgelspiel. . .. Ach ja man ist nur ein Gastorganist und die Aufregung lässt man dann mal außen vor.
Orgelnachspiel untermalt mit einer Frage für Oma
Aber. . . . was an dem Oster-Sonntag dort passierte sprengte alle meiner Vorstellungen! Nach dem Segen spielte ich Bach’s Orgelchoral Christ lag in Todesbanden, BWV 625 mit anschliessend den Choral-Chorsatz.
Gerade hatte ich angefangen zu spielen, stand auf einmal ein Junge von etwa 14 Jahren direkt neben mir und schreite laut nach unten: Omaa!!!!! Wo gehen wir zuerst hin, zum Schwimmbad oder zu dir!!!?? Leider musste er den Satz ein paar mal wiederholen, weil er in Konkurrenz befand mit mir in “Organo Pleno” d.h. volles lautes Orgelspiel.

Ich hab mein Orgelspiel nicht unterbrochen, aber nachher hab ich den Jungen nachher die Leviten gelesen, dass dies wohl der Gipfel war von Unverschämtheit.
Sofort stand Papa neben ihm und erklärte mir warum er laut war, weil ansonsten Oma ihn unten nicht hören konnte. . . . .
Dieses Beispiel macht klar, dass Orgelspiel nur als Hintergrundmusik verstanden wird wie bei Albert Heijn. Es macht deine Anstrengungen, dein dasein, total überflüssig. Musik im Gottesdienst ist totall überflüssig.
Will man seine Würde und Selbstrespekt nicht verlieren hört man lieber auf und macht die Orgel zu.
Das man Musik wie ein Buch lesen [hier zuhören kann] ist in vielen Kirchen fremd geworden.
Es ist dem Organisten respektlos und unanständig gegenüber mit lauten Gesprächen die Musik zu überschütten; Will man seine Würde und Selbstrespekt nicht verlieren hört man lieber auf und macht die Orgel zu. Es kommt dem Charakter der Kirche entgegen als Ort der Besinnung, wenn vorher und nachher Stille herrscht und erst in den Nebenräumen man sich begrüsst und soziale Kontakte pflegt.

Wie ist das in anderen Kirchen?
Die katholische und lutherische Kirchen sind ruhig, klar durch die Liturgie. Katholiken erfahren die Kirche als Haus Gottes und benehmen sich entsprechend. Bei den Lutheranern bleiben viele Leute nach dem Segen noch sitzen und hören selbstverständlich zu. Ich denke, dass eine ausgeprägte Liturgie dies schon verhindert. Luther hat die Musik als Gabe Gottes erkannt, im Gegensatz zu Calvin der sehr kopflastig war: das Wort. Bei den reformierten und altreformierten Kirchen steigt der Lautpegel.
Das sind so meine, aber auch von anderen Organisten die meistens überall spielen, geteilten Erfahrungen.

Die Lösung könnte so einfach sein . . .
– Glocken Läuten
-Leute gehen zur Kirche und setzen sich hin:
– Nach dem Läuten kommen Pastor[in] und Kirchenvorstand
– Organist spielt sein Anfangsstück
Problem ist dann gelöst!

Dies wird in der ref. Kirche zu Emlichheim wie bei den Lutheranen dort schon seit Jahren praktiziert.
Nach dem Gottesdienst gibt es natürlich Zeit für die Begegnung,  oft mit entweder  Kaffee oder Thee.
Ich hab dies vorgeschlagen als Bedingung bei meiner Bewerbung als Organist der PKN Kirche zu Dalen; Das Ergebnis war hoffnungslos.

Ach, das musst du nicht so ernst nehmen . .

Einmal sprach ich dieses Thema bei einem altreformierten Pastoren an. Er hatte die Antwort sofort parat: “Klar, du musst verstehen, dass man während der ganzen Predigt schon leise war. …” [es dreht sich letztendlich doch um die Predigt?]
Es ist deutlich; Musik hat in vielen Kirchen längst keinen Stellenwert [mehr]
Fazit
Warum schreibe ich hier diese Geschichte auf? Weil ich hoffe, dass Kirchenräte & Pastoren dies mal überdenken, aber gerade das wird schwierig weil sie überhaupt kein Rahmen in bezug zu Musik vorhanden ist was die Musik im Gottesdienst beinhaltet: Ist sie nur einen Lückenfüller, eine Nebensache? Meine Erfahrung ist oft,  dass Pastoren wirklich die “musikalische Anarchisten” sind. Deren Ausbildung in Sachen Kirchenmusik ist meistens  gleich Null gewesen was sie auch zugeben. Klar Diener des Wortes und Diener der Musik.

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ES

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